Katharina (Theresa Scholze) und Steffen (Max Riemelt) führen ein beneidenswert komfortables Leben in einer Berliner Maisonette-Wohnung. Dennoch fangen sie an, es zu hinterfragen, weil es ihnen eingefahren, gleichförmig, vorhersehbar und mit Abhängigkeiten und Einengung verbunden vorkommt. Zunächst einfach so dahingesagt, entwickelt die Idee, klammheimlich aus- und aufzubrechen, alles hinter sich zu lassen, ihre Existenzen zu löschen, ihre Sachen zu verbrennen, etwas zu tun, was noch keiner getan hat und damit Vorreiter, "Lichtgestalten", zu werden, einen so großen Reiz, dass sie damit beginnen, sie in die Tat umzusetzen und ihr Handeln auf Video festzuhalten. Im Folgenden durchlaufen sie Rauschzustände, erleben Ängste, zögern, setzen Eigendynamiken in Gang... Ob ihnen die heimliche, "leise Revolution" glückt?

"Lichtgestalten" des Regisseurs Christian Moris Müller ist kein gewöhnlicher Film, vielmehr Kunst.

Inhaltlich bietet er Momentaufnahmen der Gedanken und Gefühle seiner Protagonisten, die in Gesprächen festgehalten und durch ihre Handlungen umrissen werden. Ihre Gedankenspiele und Aktionen umkreisen die Frage, was "Freiheit" ist und bedeutet. Weitergehend, ob es "vollkommene Freiheit" geben kann oder ob Freiheit und Abhängigkeit zwingend zusammenhängen oder wie sich Freiheit und Gewohnheit(en) zueinander verhalten und welche Bedeutung dem Glück dabei zukommt. Dabei kollidiert ihr echtes Leben mit dem imaginierten, aber auch ihre Lebenswirklichkeit mit der im Video festgehaltenen und im Netz als Aufbruch ins Neue veröffentlichten.

Die Machart ist experimentell; der Film hat etwas von einer Performance. Optisch kunstvoll wechseln sich kurze, wacklige Sequenzen mit langen, oft unscharfen Kamerafahrten ab. Dabei werden Bilder geschaffen, die Gemälden gleichkommen und an Stillleben, Landschaftsmalerei oder Edward Hoppers Werke erinnern. Lichtreflexe, Spiegel, Zeitlupen, Farbvorhänge in Rot, Blau und nebligem Weiß bilden eine suggestive Stimmung.

Alles in allem ist "Lichtgestalten" mutig, innovativ, radikal, fordernd. Unschärfe ist ein inhaltliches und optisches Stilmittel. Lange Flure, leere Zimmer und Winkel stellen Metaphern für die Sehnsucht nach neuen Möglichkeiten, dem Ungenutzten, unerkannten Potenzialen dar, ebenso für Eingeengtheit und das Gefangensein in sich selbst.

Ganz klar ist dies ein Nischenfilm für ein spezielles, an optisch Kunstvoll - Visionärem interessiertes und anspruchsvolles Publikum und einer mit der Aufforderung zum Mit - und Nachdenken, zum Interpretieren.

Die gewinnend agierenden Schauspieler sprechen häufig leider zu leise oder undeutlich.

PS: Für die Einordnung und Rezeption dieses Film finde ich folgende vertiefende Informationen zum Regisseur aufschlussreich: Zunächst studierte der 1975 in Korbach/Hessen geborene Christian Moris Müller an der Ballettakademie "Heinz-Bosl-Stiftung" in München. Bereits während seines Studiums wurden einige seiner Fotografien in der "Neuen Pinakothek" München ausgestellt. Anschließend studierte er Kommunikations- und Modedesign an der "Deutschen Meisterschule für Mode" in München sowie Schauspiel und Theaterregie am "Herbert Berghoff Studio" in New York. 2006 erhielt Müller seinen Abschluss als Filmregisseur an der "Hochschule für Fernsehen und Film München". Sein Abschlussfilm "Vier Fenster" (2006) lief im Programm der "Internationalen Filmfestspiele Berlin" und erhielt den "Franz-Hofer-Preis" in Saarbrücken.

Einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre. Absolut perfektes Zusammenspiel von Kamera, Montage, Tonebene/Musik, Erzählweise... - ungewöhnlich, und gerade deshalb so faszinierend!

Ich konnte die Premiere des Films in Berlin erleben und war äußerst beeindruckt. Ein Film über die persönliche Lebensvision, der so tief geht, aber zugleich dem Zuschauer eine klare mögliche Lösung eigene verweigert, ihn so auf sich selbst zurückwirft, dass echte eigene Gedanken ausgelöst werden. Die beiden Haupt-Schauspieler sind natürlich Spitze. Theresa Scholze hatte ich schon in Christian Müllers „4 Fenster“ erlebt. Sie übertraf sich nochmals. Und nach der Premiere spürte ich ihre sympathische Ausstrahlung im Gespräch. Ich hatte später Gelegenheit, den Film nochmals in München zu sehen und entdeckte neue Feinheiten, die mir entgangen waren: Die brilliante Musik, die so tief wirkt. Die Farbenspiele, die Gags wie bei den Würfen auf den Spiegel…
Eine Muss-DVD für persönliches Wachstum.

Mitten im Leben noch mal ganz neu anfangen – wer hat nicht schon mal davon geträumt? LICHTGESTALTEN stellt die Frage, ob es wirklich möglich ist, alles hinter sich zu lassen und loszugehen in ein neues Leben. Die Hauptfigur Katharina sagt so was wie: „Ich will mich wieder verlieren um ungeahnte Entdeckungen zu machen.“ Ich glaube, sie spricht aus, was viele Leute heute vermissen, die sich gefangen fühlen in den „neuen Technologien“. Im Grunde wollen wir doch alle eigentlich das Navigationssystem wegwerfen und ein echtes Abenteuer erleben.

Die Schauspieler Max Riemelt und Theresa Scholze sind umwerfend. Ständig knistert es zwischen den beiden. Ihre Beziehung ist sehr sinnlich und auch zerbrechlich. Oft musste ich an den Film „In the mood for love“ denken. Theresa Scholze glaubt man jedes Wort und jeden Blick. Man hängt ihr an den Lippen. Max Riemelt hat eine Szene, wo er sich mit den besten Freunden anlegt. Da gehen seine Gefühle in alle Richtungen. So hab ich ihn noch nie gesehen. Mal ist er zu seiner Frau zärtlich und liebevoll und dann gegenüber den Freunden gefährlich und angriffslustig.

LICHTGESTALTEN ist ein echtes Werk. Endlich wieder ein deutscher Kinofilm der sich was traut. Hoffentlich lässt sich der Regisseur Christian Moris Müller auch in Zukunft nicht vom Fernsehen einwickeln. Es ist so wichtig, dass sich hier jemand traut aufs Grenze zu gehen, die Finger in die Wunde zu legen. Ich denke, dass der Film polarisieren wird. Und was sicher jedem auffällt: Die phantastischen Bilder. Zusammen mit der Musik entwickeln sie einen starken Sog. Mein bestes Kinoerlebnis seit Langem.

Ist mir ein Rätsel wie die Vorrezensenten auf eine 5-Sterne-Bewertung kommen, aber das an sich interessante Sujet "altes Leben hinter sich lassen - neues woanders beginnen" ist kläglich an filmkunstfixierten Momentaufnahmen gescheitert. Inhaltlich sehr dürftig und wenig zufriedenstellend.

Wenn das „Kunst“ ist, dann ist diese für mich absolut „NICHT ANSPRECHEND“! „Kunst“ ist ja sozusagen Geschmacksache. Das Ende so nichtssagenden wie der ganze Film.

Hab den Film insgesamt drei Mal gesehen und war immer wieder fasziniert. Es bleiben viele Fragen offen und ich hatte danach die spannensten Diskussionen. Noch dazu von der Ästhetik und der Musik wird man herrlich mitgenommen.

Ein sehr beeindruckender und konsequent eindringlich erzählter Film mit tollen Schauspielern, wunderschöner Kamera und toller Regie. Muss man gesehen haben!