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5,0 von 5 SternenKongeniale Übersetzung
VonETA Hoffmannam 9. Mai 2013
Vorbemerkung: Cages drei "Vorträge" sind eigentlich nicht zum Lesen gedacht, sondern zum Hören. Er selbst hat sie gehalten - wie jedoch bei allem, was man (nur einmal) hören kann, ist freilich eine Beschäftigung mit der Urschrift - in diesem Fall gleichbedeutend mit einer Partitur, sehr hilfreich für's Verständnis.
Intensiv beschäftigt habe ich mich nun nur mit dem "Vortrag über Nichts": ein strukturell ausgearbeiteter Vortrag (ca. 45 Min.) in fünf unterschiedlich großen Teilen, deren jeder einem eigenen Thema gewidmet ist ("Erörterung von Nichts, von Form und Kontinuität" - die Struktur - das Material - eine Medidation - Stille und Nachbetrachtung). Dabei fließen ebenso philosophische wie autobiographische wie kulturkritische Beobachtungen und Anmerkungen in den Text ein, der sehr wohl von einer ganzen Menge Dinge handelt, und die es sehr wohl wert sind, wahrgenommen und überdacht zu werden.
Die eigentliche Wirkung des Textes, der in vier Zeitspalten (ungefähr einem Vier-Viertel-Takt entsprechend) notiert ist, erschließt sich allerdings erst beim Hören, bzw. beim laut Lesen. Die Lücken im Text, die beim Laut-Lesen zu einem wechselnden Fluss von Lesetempo und "einkomponiertem" Schweigen (im fünften Teil ca. eineinhalb Minuten: 96 Sekunden, wenn ein Schlag eine Sekunde dauert) führen, irritieren und stören den (leisen) Lesefluss vermutlich; laut ergibt sich eine ganz eigentümliche Wirkung, ganz besonders im großen vierten Teil, der vor allem aus Wiederholungen besteht. "Wenn jemand schläfrig ist, soll er schlafen." sagt Cage dazu...
Besonders und sehr schätze ich die großartige Übersetzung von Ernst Jandl, gerade auch in der intensiven Beschäftigung mit dem englischen Original.
Wer einen geistvollen Text in dieser durchaus skurrilen Darreichungsform zu schätzen weiß, wird seine helle Freude daran haben. Wer eine Anleitung oder gar etwas Zerstreuung sucht, ist hier allerdings falsch. Besonders geeignet zum gemeinsamen Lesen (einer oder auch im Wechsel laut) und anschließender Diskussion - zu der Cage auch immer wieder einlädt, nicht ohne ein Fragezeichen zu setzen...