Größer als das Amt: Auf der Suche nach der Wahrheit - der Ex-FBI-Direktor klagt an Gebundene Ausgabe – 17. April 2018

Was das Buch so lesenswert macht..., ist nicht so sehr die Geschichte mit Trump, die zwar Anlass für dieses Buch ist, sondern etwas anderes.
Wir bekommen im gewissen Sinne eine Lebensbiografie vorgelegt, in der der Autor seine Motivation, so zu handeln, wie er gehandelt hat, unterbreitet.

Wir kommen z.B. die Lüge eines ungenannt bleibenden jungen Pfarrers, sein Fehlverhalten, ausführlich geschildert, der uns eigentlich egal sein kann, an dem der Autor aber festmacht, warum er die Gesetze auch für die Elite scharf und ungemindert auslegt. Wir lernen gleichzeitig dazu den Fall einer hierzulande völlig unbekannten, aber in Amerika sehr berühmten Martha Stewart kennen, die aufgrund einer Lüge eine kriminelle Petitesse leugnete, und Comey zu Beginn des neuen Jahrtausends sich fragte, ob er dies überhaupt zur Anklage bringen sollte. Er brachte diese kriminelle Kleinigkeit der Martha Stewart, nach ausführlichen Überlegungen, zur Anklage, weil er auch den jungen Pfarrer angeklagt hatte und bei diesem, unbekannt wie er war, keinen Augenblick zögerte, ihn der Rechtsprechung zuzuführen.
Das Recht duldet kein Zweiklassensystem, so der Gedankengang des Autors, also brachte er auch die hundertfache sympathische Millionärin Stewart vor Gericht, wissend, dass ein Shitstorm über ihn hereinbrechen würde angesichts der Kleinigkeit, dessen sie angeklagt wurde, und der Beliebtheit, die sie öffentlich genoss. Frau Stewart musste für einige Monate ins Gefängnis.

An diesem Beispiel, das für mich zentrale Stellung einnimmt, wird deutlich, dass Comey dem Recht dient und nicht Personen (welcher Größe. welchen Reichtums und Einflusses auch immer). Die Lüge ist für Comey kein strategisches Mittel, Dinge durchzusetzen. Es gilt sie zu vermeiden und wo sie zu finden ist, aufzudecken. Hundert Seiten später in dem Buch schildert er den Fall von Hillary Clinton und die Prüfung ihres Email-Verkehrs kurz vor der Wahl. Und man fühlt sich zurückerinnert an den Fall des jungen Pfarrers, bei dem auch keine Rücksichten genommen wurden, wie bei so vielen tausenden anderer namenloser Menschen auch nicht. Warum aber sollte man bei einer prominenten Frau Rücksicht nehmen nur deshalb, weil sie prominent ist? Manches wird so erklärbar, was in der Situation den Kopf hat schütteln lassen.

Manchmal wähnt man Herrn Trump angesprochen, obwohl der Name gar nicht auftaucht, so wenn angehende Staatsanwälte vor der Vereidigung von Herrn Comey auf die Bedeutung des Amtes aufmerksam gemacht werden. Bei allem Selbstbewusstsein, das man hat, es ist das Amt, das den Respekt einfordert und den die Öffentlichkeit ihm entgegenbringt, so Herrn Comers Haltung. Generationen von Staatsanwälten hätten diesen Ruf aufgebaut. Ein Einzelner könnte aber einen solchen Ruf beschädigen. So sollte man dem Amt, das man ausfüllt, auch mit Demut gegenübertreten und das eigene Selbstbewusstsein relativieren, zurückstellen. Die Analogie zu Herrn Trump ist offenkundig. Was Generationen von Präsidenten aufgebaut haben, ist ein Herr Trump im Begriff zu beschädigen.

Im Grunde genommen dreht sich das ganze Buch um den Umgang mit der Lüge und der Wahrheit. Ein Charaktermerkmal will Comey von sich zeichnen, das für ihn zentral steht und nicht zu diskutieren ist. Daraus leitet der Autor einen groß angelegten Rechenschaftsbericht ab. Es wirkt, als habe Herr Trump ihn mit der Entlassung im Innersten getroffen, und man spürt, dass da jemand, dem man Unrecht getan hat, seinen guten Leumund wiederherstellen möchte, nachdem man diesen öffentlich zerstört hat.

Man möge sich nur vorstellen, die wichtigste Sache, für die man selbst steht und für die man einsteht, würde einem einem von dritter Seite mit einem mit rüpelhaften Ton abgesprochen werden, wie sehr man die Empörung in sich trüge. Genau dieses scheint die Motivation auch von Comey zu sein. Fassungslosigkeit, Empörung, dass das Kernmerkmal, das einen motiviert, antreibt, einen Lebensmittelpunkt darstellt, von einem Dritten (Trump) leichtfertig mit Füßen getreten wurde.

Vielleicht ist das Buch auch deshalb so detailversessen. Manchmal wünschte ich mir, dass der Autor schneller auf den Punkt kommt, oder ich mir sagte, ich habe längst verstanden, ich brauche die nächsten drei Seiten nicht: Und trotzdem schreibt und schreibt der Autor Comey Detail für Detail auf, damit man ihn verstehe. Er rückt seine Biografie gerade, vielleicht ist gerade deshalb für ihn jedes Detail so wichtig.

Beim Lesen des Buches fühlte ich immer wieder ein Stückweit mit dem Autor mit, konnte verstehen, warum dieses Buches (jenseits der Einnahmen, die es verspricht), so wichtig für den Autor ist. Der öffentlichen Demontage ist auch nur öffentlich zu begegnen.

Einzuordnen ist es irgendwo zwischen dem Buch von Michael Wolff (Feuer und Zorn) und David Cay Johnston (Trump im Amt). Es fehlt die Aufgeregtheit von Wolff und die seriöser gezeichnete Charakterzeichnung von Trump im Amt, die nicht gerade wohlgefällig ausfällt.

Herr Trump ist im Buch vom Comey Anlass und selbstredend auch Teil größerer Darstellung, fokussiert aber ist der Autor auf sich selbst, auf die Wiederherstellung seiner Reputation... durch Darstellung persönlicher Lebensumstände im Zuge einer Lebensbiografie. Das macht das Buch so lesenswert.

Zweifellos, James Comey ist nach seiner authentischen Beschreibung ein aufrechter US-Bürger, der in seiner juristischen Laufbahn einen korrekten und mitunter staubtrockenen Job gemacht hat. Das Buch dreht sich daher sehr stark um so Sachen wie Autorität, Führung, Korrektheit, Respekt und vieles mehr. Es ist gegen Ende auch eine Abrechnung mit Donald Trump, der Comey rüde abgesägt hat. Leider bleibt das Buch an vielen Stellen vage und oberflächlich und vermittelt die leise Botschaft, dass es eigentlich gar nicht so viel zu erzählen gibt, auch wenn die Personalie Trump auch in diesem Buch den Leser fassungslos macht.

Mit Spannung habe ich das Buch von Comey in den letzten Monaten erwartet. Insgesamt muss ich jedoch sagen, dass ich sowohl von der Schärfe als auch von der Umsetzung des Buches enttäuscht bin.
Sprachlich finde ich es in Teilen ungenügend, auch springt der Autor sehr oft zwischen den Geschichten hin und her und macht es somit oft schwer, den roten Faden des Kapitels zu folgen.
Inhaltlich hatte ich mir zwar einen Frontalangriff auf Trump erwünscht, jedoch musste ich mich mit einer Beschreibung der Ereignisse des letzten Jahres in 80 Seiten begnügen.
Davor schildert er seinen eigenen Werdegang und erklärt die Ermittlungen des FBI unter seiner Federführung (etwa Clinton). Hier versucht er offensichtlich, einige Sachverhalte in „sein“ Licht zu rücken, da sie in den Medien anders behandelt wurden.
Im „Trump Teil“ bleibt er sich treu. Er attackiert ihn selten scharf und beschränkt somit den Erkenntniswert des Buches auf ein Minimum.

Insgesamt klingt das Buch für mich eher wie eine Bewerbung auf eine eigene Kandidatur für einen Sitz des Bundesgerichtshofs. Er gibt sich bewusst überparteilich, lobt Bush und Obama auf beiden Seiten und sagt deutlich, dass sein beruflicher Werdegang noch nicht zu Ende ist.
Für mich ist dieser Mann ein perfekter Supreme Court Richter, ein Lyriker wird er hingegen nicht mehr.

Ich fand das Buch lesenswert. Eine interessante Biografie und ein guter Einblick in das politische Amerika der letzten 15 Jahre.